Haralds Weg

Eine Blog-Serie über Wandel, Selbstbestimmung und neue Lebensmodelle.
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Ein persönliches Wort vorweg von Harald:

Vielleicht fragen Sie sich, warum ich einen Bereich, der sich noch im Aufbau befindet, zu so einem wichtigen Thema überhaupt online stelle. Die Antwort ist einfach: Ich finde, dieses Thema gehört als Serviceportal und aus persönlicher Überzeugung zu Studio Enns dazu. Ich möchte meine ehrlichen Erfahrungen teilen, um anderen Mut zu machen, Orientierung zu geben und zu zeigen, welche Wege möglich sind. Was Sie hier lesen, ist kein Abschied von der Selbstbestimmung, sondern die Geschichte einer Weiterentwicklung – meine Lebensreise mit Assistenz, die nach über 20 Jahren eine neue, spannende Richtung eingeschlagen hat.

Die Ära der Persönlichen Assistenz: Zwei Jahrzehnte als mein eigener Chef

Wenn ich zurückblicke, fühlt es sich fast wie ein anderes Leben an. Im Oktober 2004 begann für mich ein Kapitel, das mein Leben grundlegend prägen sollte: das Leben mit Persönlicher Assistenz (PA). Fast 21 Jahre lang, bis in den April 2024, war dieses Modell mein Schlüssel zu einem selbstbestimmten und autonomen Leben. Die Persönliche Assistenz GmbH war dabei mein langjähriger, verlässlicher Partner.

In dieser Zeit war ich nicht nur im übertragenen Sinne mein eigener Chef, sondern ganz praktisch der Arbeitgeber meiner Assistentinnen und Assistenten. Ich habe Dienstpläne geschrieben, Teams aufgebaut, unzählige Vorstellungsgespräche geführt und gelernt, meine Bedürfnisse klar zu kommunizieren. PA war für mich so viel mehr als nur Unterstützung bei alltäglichen Verrichtungen. Sie war die Eintrittskarte zur sozialen Teilhabe, die Voraussetzung für meine berufliche Tätigkeit, für spontane Besuche bei Freunden, Konzerte und für das unbezahlbare Gefühl, mein Leben nach meinen eigenen Vorstellungen zu gestalten.

Dieses Modell gab mir die Freiheit, in meiner eigenen Wohnung zu leben. Wollte ich abends länger ausgehen? Besuch empfangen? Am Wochenende einen Ausflug machen? Mit einer gut organisierten PA war das alles möglich. Meine Assistenten waren meine Arme und Beine, aber die Entscheidungen traf ich. Diese Souveränität ist ein unschätzbares Gut. Jeder Assistent, der mich in diesen zwei Jahrzehnten begleitete, hat mein Leben auf seine Weise bereichert und mich in der Kunst der Menschenführung geschult – direkt in meinem Wohnzimmer.

Der Wendepunkt: Wenn Freiheit zur Last wird

Doch das Leben ist Veränderung. Und mit den Jahren veränderten sich auch meine Bedürfnisse. Was einst pure Freiheit bedeutete, wurde zunehmend zu einer Belastung. Der immense organisatorische Aufwand, ein Team von mehreren Assistenten zu koordinieren, die sich die Stunden aufteilen, zehrte an meinen Kräften. Die ständige mentale Last, für Ersatz bei kurzfristigen Ausfällen sorgen zu müssen, die Sorge vor Lücken im Dienstplan – all das überschattete die positiven Aspekte. Die Sicherheit einer lückenlosen Betreuung, insbesondere in der Nacht, wurde zu einem immer wichtigeren Faktor.

Gleichzeitig wuchs in mir der Wunsch nach mehr Gemeinschaft. Das Leben allein in der eigenen Wohnung hat viele Vorteile, doch die Stille kann auch zur Einsamkeit führen. Ich sehnte mich nach sozialem Austausch, der nicht erst organisiert werden muss, sondern direkt vor der eigenen Tür stattfindet.

Ein neuer Horizont: Der Schritt in die Wohngemeinschaft

So reifte nach langer und reiflicher Überlegung der Entschluss für einen radikalen Wandel: der Umzug in eine Wohngemeinschaft in Linz, die speziell auf die Bedürfnisse von Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf ausgerichtet ist und eine 24-Stunden-Pflege anbietet. Dieser Schritt im April 2024 war emotional und organisatorisch eine gewaltige Herausforderung. Abschied nehmen von den eigenen vier Wänden, die über 20 Jahre lang mein Reich waren, sich von Dingen trennen, eine vertraute Lebensform hinter sich lassen – das war nicht leicht.

Gleichzeitig spürte ich aber auch eine immense Vorfreude auf die neuen Möglichkeiten: die Sicherheit einer permanenten Betreuung, das Leben in einer Gemeinschaft und die spürbare Entlastung von der organisatorischen Verantwortung, die mich so lange belastet hatte.

Das Beste aus zwei Welten: Mein neues Hybrid-Modell

Heute lebe ich in dieser WG, und mein Leben hat eine neue Struktur. Es ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch. Ich habe das Beste aus beiden Welten für mich kombiniert:

  1. Die 24-Stunden-Pflege für die Grundversorgung: Die Agentur Humanocare24 stellt die Rund-um-die-Uhr-Betreuung in der WG sicher. Sie übernimmt die planbaren und grundlegenden pflegerischen Tätigkeiten wie das Aufstehen und Zubettgehen, die Körperpflege und die Unterstützung bei den Mahlzeiten und Toilettengängen. Dies gibt mir eine enorme Sicherheit und nimmt mir die Last der Dienstplankoordination für diese Kernbereiche.
  2. Meine Persönliche Assistenz für die Selbstbestimmung: Gleichzeitig habe ich meine Persönliche Assistenz weiterhin! Sie ist direkt bei mir angestellt, und gemeinsam gestalten wir den Teil meines Lebens, der über die Grundversorgung hinausgeht. Meine PA unterstützt mich bei der Freizeitgestaltung, bei beruflichen Terminen, bei spontanen Unternehmungen oder einfach, wenn ich Zeit für mich in meinem Zimmer verbringe und dabei Unterstützung benötige.

Ich habe also nicht die Selbstbestimmung aufgegeben, sondern die organisatorische Last der Grundversorgung delegiert. Die Entscheidungen über mein Leben treffe ich weiterhin selbst. Die rechtliche und finanzielle Grundlage dafür ist das Auftraggebermodell des Landes Oberösterreich, ein System, das ich im nächsten Beitrag genauer erläutern werde.


Ein Ausblick

Dieser erste Beitrag sollte Ihnen einen Eindruck von meinem Weg geben. Es ist die Geschichte einer Evolution – von der reinen, selbst organisierten PA hin zu einem gemeinschaftlichen Wohnmodell mit einer intelligenten Kombination aus umfassender Betreuung und individueller Assistenz. Es ist kein „Besser“ oder „Schlechter“, sondern eine bewusste Anpassung an neue Lebensumstände und Bedürfnisse.

In den folgenden Beiträgen möchte ich tiefer in die praktischen Aspekte eintauchen. Wenn Sie Fragen haben, in einer ähnlichen Situation sind oder einfach nur neugierig sind, zögern Sie nicht, mich oder Hannes aus meinem Team zu kontaktieren. Wir helfen gerne, wo wir können.

Im ersten Beitrag habe ich meinen persönlichen Weg von der klassischen Persönlichen Assistenz (PA) hin zu meinem neuen Leben in einer Wohngemeinschaft mit 24-Stunden-Pflege beschrieben. Ein zentraler Begriff, der dabei gefallen ist und der für das Verständnis meines aktuellen Setups entscheidend ist, ist das Auftraggebermodell des Landes Oberösterreich. Dieses Modell ist das rechtliche und organisatorische Rückgrat meiner gesamten Betreuung. Es mag auf den ersten Blick kompliziert klingen, aber im Kern geht es um ein einziges, kraftvolles Prinzip: maximale Selbstbestimmung für die Person mit Unterstützungsbedarf.

Was genau ist das Auftraggebermodell?

Stellen Sie sich vor, Sie benötigen Unterstützung im Alltag. Beim traditionellen Modell beauftragen Sie einen sozialen Dienst, der Ihnen dann Personal zur Verfügung stellt. Dieser Dienst ist der Arbeitgeber der Assistenten, er schreibt die Dienstpläne und ist Ihr primärer Ansprechpartner. Das Auftraggebermodell dreht diesen Spieß um. Hier werde ich, die Person, die die Assistenz benötigt, zum Auftraggeber – und in vielen Fällen auch zum direkten Arbeitgeber meiner Assistenten. Das Land Oberösterreich stellt mir dafür ein Budget zur Verfügung, mit dem ich meine Assistenz selbst organisieren und finanzieren kann. Ich bin also nicht mehr nur Leistungsempfänger, sondern Manager meiner eigenen Unterstützung.

Das bedeutet konkret:

  • Personalauswahl: Ich entscheide, wer für mich arbeitet. Ich führe die Vorstellungsgespräche und wähle die Personen aus, bei denen die Chemie stimmt und die die nötigen Qualifikationen mitbringen.
  • Anleitung und Dienstpläne: Ich bestimme, wann, wo und wie die Unterstützung geleistet wird. Ich erstelle die Dienstpläne und gebe meinen Assistentinnen und Assistenten die täglichen Anweisungen. Sie arbeiten nach meinen Vorstellungen und Bedürfnissen.
  • Vertragsgestaltung: Ich bin der Vertragspartner meiner Assistenten. Das schließt die Verantwortung für arbeitsrechtliche Aspekte wie An- und Abmeldung bei der Sozialversicherung, Lohnverrechnung und die Einhaltung von Urlaubs- und Krankenstandsregelungen mit ein.

Dieses Maß an Kontrolle und Verantwortung ist der größte Unterschied zu anderen Modellen und der Kern der Philosophie der Selbstbestimmt-Leben-Bewegung. Es geht darum, uns aus der passiven Rolle des "Betreuten" zu befreien und uns in die aktive Rolle des Gestalters unseres eigenen Lebens zu versetzen.

Die Rolle der Agentur: Ein hybrides Modell in der Praxis

Nun werden Sie sich vielleicht fragen: Wie passt da die von mir erwähnte Agentur Humanocare24 ins Bild? Mein Text im Intro schien ja widersprüchlich: "meine Assistentinnen und Assistenten sind direkt bei mir angestellt" und gleichzeitig "Diese wird uns durch die Agentur bereitgestellt". Das ist ein wichtiger Punkt und zeigt, wie flexibel das Auftraggebermodell in der Praxis gelebt werden kann. In meinem Fall in der WG haben wir eine Art hybrides System geschaffen.

Das Land Oberösterreich gibt mir im Rahmen des Auftraggebermodells die finanzielle Hoheit. Für die spezifische Umsetzung der 24-Stunden-Pflege nutze ich jedoch die Dienstleistung einer professionellen Agentur. Humanocare24 übernimmt für mich dabei entscheidende, aber sehr aufwändige organisatorische Aufgaben:

  1. Personalrekrutierung und -vermittlung: Die Agentur hat ein großes Netzwerk an qualifizierten Betreuungskräften, oft aus dem EU-Ausland. Sie übernimmt die Vorauswahl, prüft Qualifikationen und stellt sicher, dass immer Ersatz verfügbar ist, falls eine Kraft ausfällt. Das ist ein enormer Vorteil, denn die Suche nach passendem Personal für eine 24-Stunden-Betreuung ist extrem zeitintensiv.
  2. Bürokratische Abwicklung: Die Agentur unterstützt bei der gesamten Bürokratie. Dazu gehören die Gewerbeanmeldungen für die (meist selbstständigen) Betreuungskräfte, die Vertragsgestaltung und die Koordination der Turnusse (typischerweise wechseln sich zwei Betreuerinnen alle paar Wochen ab).
  3. Qualitätssicherung: Eine gute Agentur stellt auch eine gewisse Qualität sicher und fungiert als Vermittler bei eventuellen Problemen.

Obwohl die Agentur also viele administrative Aufgaben übernimmt, bleibt die Anleitungs- und Weisungshoheit bei mir. Ich bin nach wie vor der "Chef im Ring". Ich bestimme den Tagesablauf, ich sage, was wie gemacht werden soll. Die Betreuungskraft arbeitet für mich und nach meinen Anweisungen. Die Agentur ist also quasi mein "externes Personalbüro", das mir den Rücken freihält, damit ich mich auf das Wesentliche konzentrieren kann: die Gestaltung meines Alltags. Das Land OÖ zahlt die 24-Stunden-Kraft, die uns durch die Agentur bereitgestellt wird, und ich verwalte dieses Budget im Sinne des Auftraggebermodells.

Dieses Modell ist also eine intelligente Kombination: Es verbindet die Sicherheit und den Service einer Agentur mit der Selbstbestimmung des Auftraggebermodells. Für meine aktuelle Lebenssituation in der WG ist das die ideale Lösung. Sie entlastet mich von dem enormen Druck der Personalakquise und -verwaltung für eine lückenlose Betreuung, bewahrt aber gleichzeitig mein Recht, mein Leben so zu führen, wie ich es für richtig halte. Wenn Sie Fragen zu den Details haben, wie man so etwas aufsetzt oder welche Fallstricke es gibt, fragen Sie gerne mich oder meinen Teamkollegen Hannes.

Nachdem wir uns in den ersten beiden Beiträgen meinen persönlichen Weg und das organisatorische Rückgrat – das Auftraggebermodell – angesehen haben, kommen wir nun zu einem Thema, das für viele Betroffene und ihre Angehörigen die größte Hürde darstellt: die Finanzierung. "Wer zahlt was?" ist die zentrale Frage, die über die Machbarkeit eines selbstbestimmten Lebensmodells entscheidet. Ich möchte hier so transparent wie möglich darlegen, wie sich die Kosten für mein Leben in der Wohngemeinschaft mit 24-Stunden-Pflege zusammensetzen und wer dafür aufkommt.

Die Finanzierung meines Modells ist ein Mosaik aus verschiedenen Quellen und Töpfen. Es ist wichtig, die einzelnen Bausteine voneinander zu trennen, um das Gesamtbild zu verstehen.

1. Die Kosten der Wohngemeinschaft (Miete, Betriebskosten & mehr)

Das ist der grundlegende Baustein: Für die Kosten der WG müssen wir selbst aufkommen. Das Land Oberösterreich oder die Krankenkasse finanziert die Pflege und Assistenz, aber nicht das Wohnen selbst. Dies ist ein wichtiger Grundsatz, der die Trennung von "Wohnen" und "Pflege" unterstreicht. Wir sind keine Heimbewohner, sondern Mieter in einer Gemeinschaft, die zusätzlich Pflegeleistungen in Anspruch nehmen. Diese klare Trennung ist ein wesentliches Merkmal für ein selbstbestimmtes Leben.

Ganz praktisch läuft das bei uns so ab, dass wir Bewohner auf ein gemeinsames WG-Konto einzahlen. Von diesem Konto werden alle gemeinschaftlichen Wohnkosten beglichen: die Miete, die Betriebskosten für Strom und Wasser, der Internetanschluss und auch ein gemeinsamer Essensanteil. Die Kosten decke ich aus meinem persönlichen Einkommen, also meiner Pension und anderen Einkünften. Es ist auch wichtig zu erwähnen, dass unser Wohnprojekt ursprünglich von der Miteinander GmbH angeschoben und initiiert wurde. Durch die Struktur des Auftraggebermodells des Landes Oberösterreich habe ich persönlich aber keine direkte vertragliche Beziehung zur Miteinander GmbH, was meine Autonomie in der Organisation meiner Pflege unterstreicht.

2. Die Kosten für die 24-Stunden-Pflege und Assistenz

Hier wird es komplexer, aber es ist das Herzstück der finanziellen Unterstützung. Die Kosten für meine Assistenten sind beträchtlich, denn eine 24-Stunden-Betreuung ist personalintensiv. Hier greift die Förderung des Landes Oberösterreich im Rahmen des Auftraggebermodells. Der Prozess sieht vereinfacht so aus:

  • Bedarfserhebung: Zuerst wird durch das Land OÖ mein individueller Hilfebedarf festgestellt. Experten prüfen, wie viele Stunden an Assistenz ich pro Tag benötige. Bei einer 24-Stunden-Pflege ist dieser Bedarf naturgemäß sehr hoch.
  • Budgetzuweisung: Basierend auf dieser Bedarfserhebung wird mir ein persönliches Budget zugewiesen. Das ist ein festgelegter Geldbetrag pro Monat, der zweckgebunden für die Bezahlung von Assistenzleistungen ist.

Um das noch präziser zu fassen und einen häufigen Punkt zu klären: Die Assistenten und Assistentinnen sind direkt bei mir angestellt. Ich bin ihr formaler Arbeitgeber. Das bedeutet, sie bekommen ihren Lohn auch direkt von mir ausbezahlt. Die Lohnkosten, die dabei entstehen, reiche ich dann beim Land Oberösterreich ein und bekomme sie von dort aus meinem persönlichen Budget wieder zurück. In diesem Konstrukt ist die Agentur Humanocare24 ein wichtiger Partner, der uns bei der Organisation, Vermittlung und Koordination der Betreuungskräfte unterstützt, aber die arbeitsrechtliche Verantwortung liegt bei mir als Auftraggeber. Ohne diese massive öffentliche Unterstützung durch das Land wäre ein solches Lebensmodell für die allermeisten Menschen schlicht unbezahlbar.

3. Meine finanzielle Beteiligung (der Selbstbehalt)

Komplett gratis ist das System jedoch nicht, und das ist auch fair so. Es gibt einen Selbstbehalt, den ich leisten muss. Dieser Selbstbehalt wird aus meinem Pflegegeld finanziert. In Österreich erhält jede Person mit einem bestimmten Pflegebedarf, unabhängig von Einkommen oder Vermögen, ein monatliches Pflegegeld. Dieses ist in 7 Stufen unterteilt und dient dazu, die Mehraufwendungen aufgrund der Pflegebedürftigkeit abzudecken.

In meinem Finanzierungsmodell wird ein Teil dieses Pflegegeldes als mein Beitrag zur Finanzierung der Assistenz herangezogen. Der Gedanke dahinter ist, dass das Pflegegeld ja genau für diesen Zweck gedacht ist. Da das Land Oberösterreich bereits einen sehr großen Teil der Kosten übernimmt, ist es logisch, dass das ebenfalls für die Pflege gedachte Pflegegeld mit herangezogen wird. Die genaue Höhe dieses Selbstbehalts hängt von Faktoren wie der Pflegestufe ab. Wichtig ist: Mir verbleibt auch nach diesem Abzug noch ein Teil des Pflegegeldes zur freien Verfügung für andere behinderungsbedingte Ausgaben.

Zusammenfassend sieht der Geldfluss also so aus:

  1. WG-Kosten: Zahle ich zu 100% selbst (via WG-Konto) aus meinem Einkommen.
  2. Assistenz-Kosten: Als Arbeitgeber bezahle ich den Lohn direkt an meine Angestellten.
  3. Rückerstattung: Ich bekomme die Lohnkosten vom Land OÖ aus meinem bewilligten Budget zurückerstattet.
  4. Selbstbehalt: Einen kleinen Teil der Assistenzkosten zahle ich an das Land OÖ zurück, finanziert aus meinem monatlichen Pflegegeld.

Dieses System stellt sicher, dass Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf nicht durch die Kosten der Pflege in die Armut getrieben werden, aber gleichzeitig im Rahmen ihrer Möglichkeiten einen Beitrag leisten. Es ist ein solidarisches Modell, das Selbstbestimmung erst ermöglicht. Wenn Sie detailliertere Fragen zur Antragstellung oder zur Berechnung haben, können Sie sich gerne an mich oder Hannes wenden. Wir haben diesen Prozess selbst durchlaufen und können vielleicht den einen oder anderen Tipp geben.

In den bisherigen Beiträgen haben wir die theoretischen Grundlagen meines neuen Lebens beleuchtet: den Wandel, das Organisationsmodell und die Finanzierung. Doch wie fühlt es sich wirklich an? Wie gestaltet sich der Alltag in einer Wohngemeinschaft mit 24-Stunden-Pflege? Dieser letzte Beitrag der Serie soll Ihnen einen Einblick in die menschliche und praktische Seite geben – in die Freuden, die Herausforderungen und die ganz besondere Dynamik, die dieses Wohnmodell mit sich bringt.

Die Struktur: Private Rückzugsorte und gelebte Gemeinschaft

Unsere WG in Linz ist mehr als nur eine zweckmäßige Ansammlung von barrierefreien Zimmern. Sie ist ein Zuhause. Jeder von uns Bewohnern hat sein eigenes, privates Reich – ein Apartment mit eigenem Bad, das wir nach unserem persönlichen Geschmack einrichten können. Dieser private Rückzugsort ist von unschätzbarem Wert. Es ist der Ort, an dem ich die Tür hinter mir schließen, Musik hören, arbeiten oder einfach nur für mich sein kann. Gleichzeitig gibt es großzügige Gemeinschaftsbereiche: eine große, offene Wohnküche, ein gemütliches Wohnzimmer und eine Terrasse. Hier findet das gemeinsame Leben statt. Wir kochen zusammen (oder lassen für uns kochen), essen gemeinsam, schauen Filme oder sitzen einfach nur da und reden. Diese Mischung aus Privatsphäre und Gemeinschaft ist für mich die perfekte Balance. Ich habe die soziale Interaktion, die mir manchmal in meiner alten Wohnung gefehlt hat, aber auch jederzeit die Möglichkeit, mich zurückzuziehen.

Die Rolle der Assistenz im Alltag: Mehr als nur Pflege

Die Präsenz einer 24-Stunden-Assistenz verändert den Alltag grundlegend. Es ist immer jemand da. Das gibt eine enorme Sicherheit. Die Angst, nachts allein zu sein und im Notfall keine Hilfe rufen zu können, ist verschwunden. Die Assistentinnen, die über Humanocare24 zu uns kommen, arbeiten meist in mehrwöchigen Turnussen. Das bedeutet, man baut über die Zeit eine enge Beziehung auf. Sie sind nicht nur für die reinen Pflegetätigkeiten wie Körperpflege, An- und Ausziehen oder Hilfe beim Essen zuständig. Ihre Rolle ist viel umfassender.

Sie sind Haushaltshilfen, die für Sauberkeit und Ordnung sorgen. Sie sind Köchinnen, die unsere Mahlzeiten zubereiten. Sie sind Organisatorinnen, die bei Terminen helfen und Einkäufe erledigen. Und sie sind Begleiterinnen, die mit uns zum Arzt, zu Therapien oder einfach nur auf einen Kaffee ins Freie gehen. Vor allem aber sind sie zu einem wichtigen sozialen Anker im Haus geworden. Die Beziehung ist professionell, aber herzlich. Es erfordert von beiden Seiten viel Einfühlungsvermögen, Respekt und eine klare Kommunikation. Als "Auftraggeber" ist es meine Aufgabe, meine Wünsche und Bedürfnisse klar zu formulieren, aber auch, die Privatsphäre und die Arbeitsbedingungen der Assistentinnen zu respektieren.

Vergleich zum alten Modell: Was hat sich verändert?

Im Vergleich zu meinem früheren Leben mit klassischer Persönlicher Assistenz gibt es deutliche Unterschiede. Früher musste ich ein ganzes Team von Teilzeitkräften koordinieren. Der administrative Aufwand war enorm. Ständige Dienstplanänderungen, die Suche nach Ersatz bei Krankmeldungen, die Lohnverrechnung – all das hat viel Energie gekostet. Dieser Druck ist nun fast vollständig weggefallen. Die Agentur und das Turnus-System sorgen für eine verlässliche Kontinuität.

Der Preis dafür ist ein Stück weit Flexibilität und Spontaneität. Mit meiner alten PA konnte ich kurzfristig entscheiden, abends länger wegzubleiben oder am Wochenende spontan etwas zu unternehmen, solange ich eine Assistenz dafür einplanen konnte. Im WG-Setting mit einem festen Betreuungsschlüssel für mehrere Personen sind solche spontanen Einzelaktionen schwieriger zu organisieren. Die Planung muss gemeinschaftlicher und vorausschauender erfolgen. Auch die Privatsphäre ist eine andere. Es ist immer jemand im Haus, nicht nur für mich, sondern auch für meine Mitbewohner. Man teilt sich die Aufmerksamkeit der Assistenz. Das war anfangs eine Umstellung, aber die Vorteile – die Sicherheit und die Gemeinschaft – wiegen diesen Aspekt für mich bei Weitem auf.

Die Kraft der Gemeinschaft

Der vielleicht größte Gewinn ist das Leben in der Gemeinschaft. Mit meinen Mitbewohnern teile ich nicht nur die Adresse, sondern auch ähnliche Lebenserfahrungen. Wir verstehen die Herausforderungen des anderen, ohne viele Worte machen zu müssen. Wir können uns gegenseitig unterstützen, uns Mut machen und gemeinsam lachen. Dieser Austausch ist unglaublich wertvoll und etwas, das man in Geld nicht aufwiegen kann. Wir sind eine Zweck-WG, die sich zu einer echten Gemeinschaft entwickelt hat.

Mein Fazit nach den ersten Monaten ist durchweg positiv. Der Schritt war groß, aber richtig. Er passte zu meiner aktuellen Lebensphase. Mein Weg zeigt, dass es nicht das *eine* perfekte Modell für alle und für immer gibt. Es geht darum, das System zu finden, das den eigenen, aktuellen Bedürfnissen am besten entspricht. Und es zeigt, dass auch bei hohem Unterstützungsbedarf ein Leben in Würde, Sicherheit und Gemeinschaft möglich ist.

Ich hoffe, diese vierteilige Serie konnte Ihnen einen umfassenden Einblick in meine Welt geben. Wenn Sie am Anfang einer ähnlichen Entscheidung stehen, Fragen haben oder einfach nur jemanden zum Reden brauchen, mein Angebot steht: Kontaktieren Sie mich oder Hannes aus meinem Team. Der Austausch von Erfahrungen ist der beste Weg, um voneinander zu lernen und die besten Lösungen für ein selbstbestimmtes Leben zu finden.